Weltreise 2008 + Südamerika 2019

Sonntag, 01.06.2008

Welch ein Kontrast : Am Donnerstagmorgen haben wir noch auf 3.400 Metern Höhe in Wolken eingehüllt in den warmen Thermalquellen von Papallacta gebadet. Am Freitag sind wir durch die wuselige Altstadt von Lima geschlendert und nun sitzen wir ca. 600 Kilometer nördlich von Lima an der Küste und um uns herum ist Nebel und Wüste. 

Lima: Kathedrale

Aus Quito sind wir mit einer gewissen Erleichterung, das doch eher feuchtkalte  Andenhochland eine Weile hinter uns zu lassen, abgeflogen. In den letzten fünf Wochen haben wir einen recht guten Eindruck von der Vielfalt Ecuadors erhalten, wo man in wenigen Stunden von der Pazifikküste in die Anden auf über 3.000 Meter Höhe und von dort wiederum in wenigen Stunden in das Amazonastiefland gelangen kann, erhalten. Wir hatten Glück mit dem Wetter auf den Galapagos-Inseln und im Oriente (Amazonastiefland) die ganz spektakulären Ausblicke auf die Eisriesen entlang der Straße der Vulkane sind uns jedoch wegen des wolkenreichen Wetters überwiegend verwehrt worden. Aber wir werden uns ja in Peru nochmals in den Anden auf ähnliche Höhen begeben.

Von Lima hatten wir uns nicht viel erhofft, eine graue, laute und dreckige 8-Millionen-Stadt im Küstennebel eben. Vor diesem Hintergrund wurden wir eigentlich ganz positiv überrascht. Lima hat in seiner Altstadt eine Reihe prächtiger Kolonialbauten zu bieten, die in ihrer Farbigkeit ganz anders wirken, als das weiße, koloniale Quito. Die Besonderheit der Altstadt Limas liegt vor allem in seinen vielen, aufwendig geschnitzten Holzbalkonen. Anders als in Quito findet hier modernes, geschäftiges Businessleben in Mitten der kolonialen Baudenkmäler statt. Ein besonderes Erlebnis war für uns die operettenhafte Inszenierung der Wachablösung vor dem Regierungspalast mit Blasmusik (natürlich mit dem hier unvermeidlichen El Condor pasa interpretiert in einer Art Bolero-Version) und Stechschritt. Gewohnt haben wir in einem netten kleinen Hotel mit schön bepflanzten Innenhof im wohlhabenden Geschäfts- und Bankenviertel Miraflores, dessen Atmosphäre uns sehr an New York erinnerte. Noble Hochhäuser und Villen am Strand, teuere Läden, Delikatesssupermärkte, die 24 Stunden geöffnet haben, Restaurants aller kulinarischen Richtungen und immer Leben und Betrieb auf den Straßen. Lima wirkt viel weltstädtischer als das wesentlich kleinere Quito und hat uns mit seiner Mischung aus alt und neu, nord- und südamerikanischer Lebensweise eigentlich gut gefallen, wobei wir solch kleine Dinge wie den Erhalt von Vollkornbrötchen und ordentlichem Käse (in Ecuador gab es nur eine Art Mozzarella, der meist ziemlich farblos schmeckt) sehr zu schätzen mussten. Zugegeben : die endlosen Slums, die die Stadt umgeben, haben wir uns schon aus Sicherheitsgründen nicht angesehen, das hätte sicherlich den recht positiven Eindruck erheblich relativiert. Auch die Luft in Lima ist nicht gerade die Beste, was durch den hier um diese Jahreszeit üblichen, durch den kalten Humboldtstrom vor der peruanischen Küste bedingten Nebel noch verstärkt wird.

Am Samstag sind wir dann nach Trujillo, der drittgrößten Stadt Perus und dem Zentrum der sog. Moche-Kultur geflogen, und bei Lan Peru gab es dann auch erstmals Ärger mit unseren nur in elektronischer Form vorhandenen Tickets, da man behauptete, eine bereits vor Monaten veranlasste Routenänderung nicht herhalten zu haben, und uns für die nochmals vorzunehmende Umbuchung 110 Dollars abknöpfte. Wir mussten uns in dieser Situation auf die gestellten Bedingungen einlassen, sonst wären wir gar nicht weggekommen, und müssen dann später sehen, ob wir die geforderten Auslagen wieder von Lan Peru in Deutschland zurückerhalten. Ich hatte, weil man ja kein schriftliches Ticket in der Hand hat, mit solchen Schwierigkeiten schon gerechnet, und es überrascht mich auch nicht, dass uns dies in Südamerika passierte.

Einquartiert haben wir uns in dem Küstenort Huanchaco  in der Nähe von Trujillo. Als Badeort würde ich das Dorf zur jetzigen Jahreszeit nicht bezeichnen. Der Pazifik ist kalt, auch hier legt sich der Nebel über die Küsteregion, wenn es auch von Zeit zu Zeit aufreißt. Die Umgebung ist wüstenartig, der breite, Kilometer lange Sandstrand ist grau. Der Ort hat eine gute touristische Infrastruktur, das Klima ist angenehm mild, es regnet nicht und wir können hier ganz gut entspannen, als besonders schön würde ich das Örtchen jedoch nicht bezeichnen. Das mögen Wüstenliebhaber aber vielleicht ganz anders sehen.

 

Freitag, 06.06.2008

 Diverse Besichtigungen zerbröckelnder Lehmziegelbauten und einige Kilometer Fußmarsch im Wüstensand liegen hinter uns. Das  im Norden Perus gelegene Trujillo hat nicht nur eine sehr sehenswerte Altstadt aus der Kolonialzeit zu bieten, sondern war auch der Mittelpunkt der vorkolumbianischen Moche- (ca. 2.000 v.Chr. bis 800 n.Chr.) und Chimú- (ca. 800 bis 1.400 n.Chr.) Kulturen. Diese Völker errichteten riesige Bauwerke aus Millionen von luftgetrockneten Lehmziegeln, u.a. Zeremonialmonumente in Form von Stufenpyramiden von bis zu 45 Metern Höhe, an denen bedingt durch Erdbeben und die schlimmen Regenfälle während der El Nino-Jahre zwar kräftig der Zahn der Zeit nagt, deren Abmessungen aber gleichwohl beeindruckend sind, wenn man denn registriert, dass es sich nicht um Sandhügel, sondern um menschliche Bauwerke handelt. Diese werden heute in mühevoller Arbeit wieder frei geschaufelt und zum Teil rekonstruiert. Ob dies im puristisch archäologischen Sinne immer in korrekter Weise geschieht oder die Aufbereitung mehr im Stile von Disneyland erfolgt, sei einmal dahin gestellt. Sehenswert sind die sog. Huacas allemal.

Zu bewundern gibt es außer den monumentalen Abmessungen vor allem vielfältige Wandmalereien und riesige Fliese, die auch über die teils harten und unmenschlichen Sitten damaliger Zeiten Auskunft geben. Es gab eine strikte Trennung verschiedener sozialer Schichten, die Könige standen Gott gleich über allem, Menschenopfer waren an der Tagesordnung. Beim Tod des Herrschers folgte ein Teil seines Hofstaates, insbesondere die Frauen, im kollektiven Selbstmord . Wir fragten uns, was die Menschen damals bewegt haben konnte, sich ausgerechnet die wüstenartige Gegend um Trujillo zur Ansiedlung auszusuchen, wurden dann aber darüber belehrt, dass sich das hiesige Klima in den letzten 3 Jahrtausenden mehrmals drastisch geändert haben und es damals wesentlich mehr Wasser - sei es durch häufigeren Regen, sei es durch abschmelzende Gletscher in den Anden – gegeben haben soll und die Moche und Chimú besondere Fertigkeiten im Anlegen von Bewässerungssystemen hatten. Letztere werden heute noch genutzt, die damals angeblich blühenden Landschaften gibt es jedoch längst nicht mehr, u.a. weil die Spanier die vorhandenen Wälder komplett abholzen und z.T. riesige Zuckerrohrplantagen anlegen ließen. Klimaänderungen sind also nicht erst seit dem 20. Jahrhundert ein Thema.

 

Die Hauptattraktion der Gegend ist der Ruinenkomplex Chan Chan, die größte Lehmziegelstadt der Welt, die sich einmal über eine Fläche von 20 Quadratkilometern erstreckte und bis zu 100.000 Einwohner beherbergt haben soll. Heute stehen bedingt durch die Erosion im Wesentlichen nur noch die Grundmauern, einige Paläste gigantischen Ausmaßes sind allerdings noch recht gut erhalten. Leider wurden die reichlich vorhanden gewesenen Gold-, Silber- und Keramikschätze schon zu früheren Zeiten von den Spaniern und anderen einheimischen Räubern geplündert. Glück hatte man aber vor 2 Jahren, als  ca. 60 Kilometer nördlich von Trujillo beim Tempelkomplex „El Brujo“ (Der Zauberer) die bisher unberührte Grabkammer einer hochgestellten Priesterin bzw. Schamanin mit deren ca. 1.800 Jahre alten, gut erhaltenen Mumie entdeckt wurde. Zwecks Präsentation dieser Mumie und ihrer Grabbeigaben hat man an Ort und Stelle eigens ein eigenes Museum geschaffen, das zu unserem Leidwesen aber erst Mitte Juli diesen Jahres seine Pforten öffnet. Für uns gab es die Mumie nur auf Schautafeln zu sehen.

 

Abgesehen von diesen reichlich staubigen Besichtigungstouren haben wir ein paar geruhsame Tage im milden Klima und teils sogar mit Sonnenschein an der Küste in Huanchaco verbracht. Dafür, dass in Peru offensichtlich alles mit einer erheblichen Geräuschkulisse vonstatten geht (Autofahren, Musik hören, Rumschnattern usw.), für die die einheimische Bevölkerung völlig  unsensibel ist, war es hier – von Ausreißern wie etwa mehrstündigem Gewehrschießen in der Nacht – recht ruhig und relaxed. Von unserem Balkon können wir den riesigen Wellen des allerdings keinesfalls zum Baden einladenden Pazifik zusehen. Zwischendrin tummeln sich wagemutige Surfer und einheimische Fischer, die – eine Besonderheit der Gegend – mit kleinen, selbst gefertigten Schilfbooten, sog. Totoras, unterwegs sind. Der Ort ist ein El Dorado für Fischliebhaber und Freunde sonstigen Meeresgetiers. Ich selbst freue mich schon auf so etwas Dekadentes wie Pizza oder Pasta, denn immer nur gegrilltes Hühnchen oder Beef mit Salat wird auf die Dauer etwas fad. Morgen geht´s aber mit dem Flugzeug wieder ins Andenhochland nach Cusco mit einer sicherlich hervorragenden touristischen Infrastruktur, denn wir nähern uns dem wahrscheinlichen Höhepunkt unserer Perureise, der Inkastadt Machupicchu.


Donnerstag, 12.06.2008

 

Unsere Tour nach Machupicchu war mit Höhen und Tiefen. Was bleibt ist die Begeisterung für diesen Ort, die sich hoffentlich anhand unserer Bilder nachvollziehen lässt.

 

Ausgangspunkt für Machupicchu ist die in den Anden auf 3.430 Metern Höhe gelegene Stadt Cusco, die dominiert wird von unzähligen braunen Adobe-Häuschen, die sich die steilen Hänge hinauf ziehen, und prachtvollen Kolonialbauten, vorzugsweise Kirchen. Bereits der Flug von Lima aus war spektakulär. Bei strahlend blauem Himmel und guter Sicht ging es zunächst über die graue Küstenwüste und dann über die immer höher werdenden, braunen Auffaltungen der Anden in das schmale Tal von Cusco, das sich aus der Luft erst im letzten Augenblick als breit genug für eine Flugzeuglandung offenbart. Vorher kann man sich etwas anderes als eine Fallschirmlandung in der bergigen Umgebung, in der weder Orte noch Straßen ausfindig zu machen sind, gar nicht vorstellen. Nach 8 Tagen an der Küsten war auch wieder eine Höhenanpassung erforderlich. Ein Aufenthalt knapp 3.500 Meter über dem Meeresspiegel ist gar nicht so ohne, was sich schon daran zeigt, dass viele Hotels Sauerstoffflaschen für ihre Gäste bereit halten. Hier bekämpft man die Symptome (bei uns Gott sei Dank nur eine gewisse Kurzatmigkeit, erhöhte Pulsfrequenz und leichte Schlafstörungen) üblicherweise mit Cocatee, der entgegen aller Vermutung keine berauschende Wirkung hat.

Wir haben es dann auch langsam angehen lassen und an den ersten beiden Tagen die Stadt und die nahe gelegenen Inkaruinen von Saqsaywamán besichtigt, vor deren eindrucksvollen, aus mächtigen mörtellos zusammengefügten Granitsteinmauern (die passgenau gearbeiteten Steinblöcke sind bis zu 5 x 5 x 2,50 Meter groß und können bis zu 200 Tonnen wiegen) alljährlich zur Sommersonnenwende ( d.h. leider nach unserem Aufenthalt) das berühmte Inti Raymi-Fest mit Hunderten von Laiendarstellern stattfindet.

 

Am dritten Tag sind wir bei strahlendem Sonnenschein und guter Hoffnung, dass das tags klare und recht warme, abends aber empfindlich kalte Wetter so bleiben wird, morgens mit dem Collectivo (eine Art Sammeltaxi, meist ein Kleinbus) zunächst nach Ollantaytambo gestartet, wo wir uns die dortige Inkaruinen mit ihren terrassierten Feldern, Tempelanlagen aus ebenfalls gewaltigen Granitblöcken, der obligatorischen Sonnenuhr und den noch vorhandenen Mauerresten anschauten. Von Ollantaytambo aus gelangt man dann nur noch mittels dem Zug nach Aguas Calientes, dem Ort, der der Inkastadt Machupicchu am nächsten liegt (rund 12 Kilometer entfernt). War die Stimmung bis dahin durch die unerwartet zügige und komplikationslose Anfahrt nach Ollantaytambo und das gute Wetter ungetrübt, bekam sie durch den während der Zugfahrt einsetzenden  Regen schon einen ersten Dämpfer. Eigentlich hätte uns der Wetterumschwung nicht so überraschen dürfen, denn wir fuhren die Ostseite der Anden auf nur noch 1.900 Meter Höhe herunter, wo die Regenwolken aus dem Amazonas-Tiefland ankommen. Trotzdem machte sich natürlich die Befürchtung breit, die spektakuläre Inkastadt, auf die wir uns schon so lange freuten und zu deren Besichtigung und nur ein Tag blieb, womöglich im strömenden Regen vornehmen zu müssen. Zur Verbesserung unserer Stimmung trug dann auch nicht die Ankunft im 1.500 Einwohner zählenden Stadtchen Aquas Calientes bei, welches sich als Ansammlung eher unansehnlicher Häuser entlang der Bahngleise mit eingesprengelten Baustellen entpuppte. Die mangelnde Attraktivität macht der Ort aber durch für peruanische Verhältnisse weit überhöhte Preise bei ausnahmslos schlechtem Service und mäßigem Einheitsessen wett. Man hat hier erkennbar keine Lust, sich um die nicht gerade in geringer Zahl ankommenden Touristen zu bemühen, denn die meisten verschwinden ohnehin bereits nach einer Nacht wieder. Gott sei Dank war unser Hotel einigermaßen sauber und das uns zugewiesene Zimmer zwar – vermittelt durch einen rostbraunen Anstrich - etwas dunkel, dafür aber halbwegs ruhig. Leider währte die Freude über das Zimmer auch nur 2 Stunden, dann viel im gesamten Ort der Strom aus und so blieb es dann auch, bis wir am nächsten Tag wieder abfuhren. Es gab also kein Licht und mangels Pumpe auch kein Wasser, gleichzeitig regnete es immer wieder in Strömen und die Suche nach einem netten Restaurant entwickelte sich auch nicht als sonderlich erfolgreich (immerhin gab es Pizza aus dem auf Strom nicht angewiesenen Steinofen). Angesichts dieser Umstände blieb und nichts anderes übrig, als um 9.30 Uhr ungewaschen und schlecht gelaunt ins Bett zu gehen, um am nächsten Morgen um 6.00 Uhr aufzustehen und wiederum ungewaschen aber immerhin nach einem für hiesige Verhältnisse ganz  guten Frühstück mit dem Bus nach Machupicchu zu fahren, wo wir zwar nicht mehr die Einzigen waren, aber immerhin doch erheblich vor den ganz großen Touristenströmen ankamen.

 

Nachdem der Regen in der Nacht zuvor aufgehört hatte, setzte er just in dem Moment wieder ein, als wir einen ersten Blick auf die Ruinenstadt erhascht und uns über einen Teil des berühmten Inkatrails an den etwa halbstündigen Aufstieg zum Sonnentor gemacht hatten, was die Stimmung wieder zum Tiefpunkt brachte. Wir wurden allerdings rasch durch die Erkenntnis getröstet, dass das Wetter in dieser Region nahezu minütlich wechselt. Uns wurde ein Wetterschauspiel von aufsteigenden Nebeln und Regen über dahinfliegende Wolken bis zu strahlend blauem Himmel mit Sonnenschein geboten, was für sich allein schon beeindruckend war. Spektakulär wurde dies vor der atemberaubenden Kulisse, die sich bot. Nicht nur die Anlage der gut erhaltenen, da von den Spaniern nie entdeckten und daher auch nicht zerstörten Inkastadt mit ihren Terrassen, Palästen, Tempeln, Plätzen, Häusern und  Brunnen ist faszinierend, das alles liegt zudem in einer grandiosen Landschaft. Das Zusammenspiel zwischen der Natur, den steilen grünen Berghängen mit den Eisriesen der Anden im Hintergrund und den tiefen Einschnitten, die hier der Rio Urubamba in die Berglandschaft macht, dem ständig wechselndem Wetter und dem damit verbundenen Wechsel von Licht und Schatten und der mit vielen Mythen und Unergründlichkeiten verbundenen Ruinenanlage (das Leben der Inkas ist mangels Schriftsprache noch in vielen Bereichen unbekannt) macht die Einzigartigkeit des Ortes aus.

Im Endeffekt hat uns auch das anfangs eher schlechtere, im Verlaufe des Vormittags aber von immer mehr Sonnenschein abgelöste Wetter Eindrücke von diesem Ort vermittelt, die wir nicht missen möchten. Voller Begeisterung haben wir uns dann um die Mittagszeit und entgegen der zunehmenden Touristenströme (ein Ort der Einsamkeit ist Machupicchu leider schon lange nicht mehr, täglich ca. 1.000 Besucher) wieder auf den Weg zurück nach Cusco gemacht.

Diesmal leisteten wir uns den Luxuszug (wegen der auch in der Decke eingebrachten Fenster Vistadome genannt) nach Ollantaytambo und kamen dabei noch in den Genuss eines recht skurrilen Unterhaltsprogramms. So hatten Schaffner und Schaffnerin nicht nur die Aufgabe der Fahrscheinkontrolle und einer flugzeugmäßigen Austeilung von Lunchpaketen, es gab auch eine Tanzeinlage in folkloristischer Bekleidung und eine von ihnen durchgeführte Modeschau mit Alpakaprodukten. Während sich der Schaffner bei dieser unter den Klängen von Abba´s Dancing Queen durchgeführten Show sichtlich unwohl fühlte und deshalb mit lautstarkem Applaus der Passagiere besonders angespornt werden musste, bewegte sich Frau Schaffnerin als sei der Laufsteg ihr wahres zuhause. Vorbei an Getreidefeldern, Lagunen und braunen Dörfchen mit Adobehäusern und im Hintergrund immer die schneebedeckten Spitzen einiger Andenberge ging es dann bei Sonnenschein und glasklarer Sicht zurück nach Cusco, wo wir randvoll mit den tollen Eindrücken des Tages ankamen und um 22:00 Uhr abends erschöpft in unsere Betten fielen. 

 

Donnerstag, 19.06.2008

 

Ich sitze bei angenehmen 24 Grad auf dem Balkon unseres Hotelzimmers in Arequipa, der zweitgrößten Stadt Perus, und genieße bei strahlend blauem Himmel das frühlingshafte Klima in nur noch ca. 2.400 Meter Höhe. Hinter uns liegt die knapp 400 Kilometer lange Busreise von Cusco nach Puno, der auf rund 3.800 Metern Höhe gelegenen Stadt am Titicaca-See, und die 320 km lange Weiterfahrt über die Westflanke der Anden hinunter nach Arequipa. Da ich als Kind eine durchaus begeistere Anhängerin der Augsburger Puppenkiste war (gibt es die eigentlich noch?), war mir der für unsere Ohren etwas skurril klingende Name des Sees (die Betonung liegt übrigens auf dem letzten a und der Name kommt aus der Sprache der Aymara, einem der ortsansässigen Indiostämme) natürlich  geläufig, ich dachte nur immer, es handele sich um ein Phantasieprodukt und nicht um einen realen Ort. Dabei ist der an der Grenze zu Bolivien gelegene See 15  mal so groß wie der Bodensee und der größte See Südamerikas (maximale Länge: 176 km;  maximale Breite: 70 km). Er liegt auf einem riesigen Hochplateau der Anden und gilt als Geburtsort der Inkas.

 

Für die Fahrt nach Puno gönnten wir uns einen der für die meisten Einheimischen unerschwinglichen Touristenbusse mit englischsprachigem Reiseführer, was nicht nur wegen des guten Pflegezustandes des Busses sehr angenehm war, sondern auch weil wir an  mehreren Stellen der Strecke Gelegenheit zu Besichtigungen hatten. Allerdings waren nicht nur kulturelle Sehenswürdigkeiten, wie die mit einer wunderschönen Holzdecke, Wandmalereien und einem mit Gold- und Silberverzierungen überladenen Alter ausgestattete Kirche aus dem 17. Jahrhundert in Andahuaylillas und den 13 Meter hohen Mauern der Inka-Ruinen in Raqchi zu bewundern, vielmehr ließ sich auch gut das Leben in den zahlreichen, von uns durchquerten peruanischen Dörfern beobachten. Die Lebensbedingungen der auf 3.500 bis 4.000 Metern Höhe lebenden Menschen sind für uns Mitteleuropäer kam vorstellbar. Es gibt keine Industrie, kein Tourismus oder sonstiges Gewerbe, von dem man leben könnte. Ackerbau ist in dieser Höhe nicht mehr möglich. Die Menschen besitzen nur ein paar Tiere (Schafe, Lamas, Alpakas, einige wenige Kühe), von denen sie leben. Die winzigen, offenbar nur aus einem Raum bestehenden, unverputzten  Lehmziegelhäuschen haben meist keine Fenster, damit die Kälte, die je nach Jahreszeit nachts bis weit unter den Gefrierpunkt gehen kann, nicht eindringt. Es gibt keinen Stromanschluss und kein Leitungswasser, die Latrinen stehen einige Meter neben den Häusern. Die Landschaft ist karg und die Straßenränder sind insbesondere in den Dörfern mit Müll übersäht. Die größte Stadt des sog. Altiplano, Juliaca, strotzt vor Häuslichkeit (unverputzte Backsteinhäuser, ungepflasterte Straße, Dreck, Müll und viele elendig arm gekleidete Menschen).

 

Auch unser Ziel, Puno ,ist keine städtebauliche Schönheit, profitiert aber von der Attraktivität  des Sees und damit vom Tourismus, dessen man sich – wem möge man das verdenken - auch kräftig bedient. Nirgendwo in Peru  – mit Ausnahme von Machu  Picchu – sind die Preise so hoch und die dafür gebotenen Leistungen so bescheiden. Von der kleinen Reiseagentur, bei der wir unseren Bootstrip über den Titicaca-See und unser Busticket nach Arequipa buchten, sind wir dann auch bei beiden Dienstleistungen kräftig übers Ohr gehauen worden. Das teuer bezahlte Schnellboot über den See entpuppte sich als lahme Ente, auf der wir insgesamt 5 gegen Ende doch eher langweilige Stunden über den See schipperten, statt uns länger auf den interessanten Inseln des Sees zu tummeln. Der angekündigte „bequeme“ und ebenfalls für hiesige Verhältnisse recht teuer bezahlte „Direkt“-Bus nach Arequipa nahm im Rahmen seiner natürlich nach einheimischem Gutdünken bemessenen Kapazitäten jeden mit, der am Straßenrand winkte. In ihm sah es nicht nur so aus wie in einem Schweinestall, sondern es roch auch die ganze Zeit nach Latrine. Eine Erfahrung, die wir in Peru im Übrigen auch schon in diversen Taxen machten, denen wir dann mit dem Wunsch nach einem sofortigen Kleiderwechsel und einer Dusche entstiegen. Annähernd jeder, der es sich leisten kann, ein noch so kleines Auto zu erwerben, funktioniert dieses zum Broterwerb in ein Taxi um. Da es so viel Konkurrenz und demzufolge wenig zu verdienen gibt, ist natürlich auch kein Geld dafür da, das Taxi zu pflegen. Ein Taxi ist hier auch nicht unbedingt ein Transportmittel, dessen man sich bedient, um sicher von A nach B zu gelangen. Dem Vernehmen nach lassen sich einige, wenn auch wenige Taxifahrer ggfl. sogar in Zusammenarbeit mit korrupten Polizeibeamten durchaus zu Erpressungen ihrer Gäste hinreißen. Wir haben eine solche Erfahrung allerdings bisher nicht gemacht. Sie lässt sich bei Benutzung lizenzierter Taxen auch gut vermeiden.

 

Trotz der Ärgerlichkeiten mit dem überhöhten Preis bot der Trip auf dem Titicaca-See aber eine Menge beeindruckender Szenen. Das galt insbesondere für den Besuch auf den schwimmenden Schilfinseln der Uros, einem weiteren Indiostamm. Was in unserem Reiseführer als tröge Touristenveranstaltung angekündigt war, hatte für unsere Begriffe durchaus Charme. Die Inselbewohner waren bei aller Kommerzialität sehr nett und bemüht, uns den Aufbau ihrer Inseln und das Leben hierauf zu erläutern. Hinzu kam, dass unser Boot nur mit 11 Touristen besetzt war, wir also die von uns besuchten Inseln auch nicht zahlenmäßig überschwemmten. Es ging recht ruhig, gelassen und freundlich zu. Dass die Inselbewohner am Tourismus verdienen und sich zwischenzeitlich sogar einen Generator und Solarzellen leisten können, ist ja letzten Endes nichts Verwerfliches. Auch der weitere Stopp auf der inmitten des Sees gelegenen Felseninsel Taquile war recht nett. Vor allem bekamen wir hier erst ein Gefühl für die riesigen Dimensionen des Sees (176 km lang, 70 km breit, 8.962 km 2 , 3.809 m hoch). Derweilen gingen  die Einwohner ihren ganz eigenen Traditionen (z.B. gehört die Anfertigung von Strickwaren zum Zuständigkeitsbereich der Männer, während den Frauen das Weben obliegt) nach, ohne dass wir den Eindruck hatten, dass es sich lediglich um touristische Inszenierungen handelte.   

 

Da Puno außer dem Titicaca-See und den verschiedenen Kulturen der auf den Inseln lebenden Indios nichts weiter zu bieten hat, genügten uns drei Tage dort, zumal die Höhenlage mit ihren extremen Temperaturschwankungen, der großen Trockenheit und der dünnen Luft bei aller Akklimatisierung doch nicht so angenehm ist. Auf den nur noch 2.400 Metern in Arequipa fühlen wir uns hingegen sehr wohl, zwischenzeitlich sind wir auch in der Lage, auf solcher Höhe ohne größere Anstrengung ein wenig zu joggen, was man – wie ich zwischenzeitlich eingestehen muss - auf knapp 4.000 Metern doch besser sein lässt.

 

Sonntag, 22.06.2008

 

In den letzten beiden Tagen haben wir uns wieder in die Höhe begeben und einen Abstecher in den auf rund 3.600 m gelegenen Colca-Canyon gemacht. Die Abreise aus Arequipa begann zunächst damit, dass wir zwei Stunden vor einer Unfallstelle, an der sich zwei LKWs ineinander verkeilt hatten, im Stau standen. Das „Krisenmanagement“ drumherum war unbeschreiblich. Hunderte von Schaulustigen liefen wild gestikulierend herum und forderten uns auf, vor und zurück zu fahren. Die durchaus vorhandene Polizei tat so, als ginge sie die Angelegenheit überhaupt nichts an. Als einer der beiden LKWs schließlich in der Lage war, die Straße zu räumen, stauten sich die Fahrzeuge links und rechts kilometerlang auf beiden Fahrbahnen, so dass niemand aneinander vorbei kam. Nachdem es dann schließlich weiterging, passierten wir in einer Höhe von 4.800 m unseren höchsten Pass in den Anden. Entlang der Strecke weideten Lamas, Alpakas und auch die scheuen, wild lebenden Vicunas, ebenfalls eine Kamelart. Die Tour bot bei strahlend blauem Himmel herrliche Ausblicke auf mehrere schneebedeckte, an die 6.000 Meter hohe Vulkankegel, ein Anblick, den wir in Ecuador so vermissten. Unser Übernachtungsort in 3.600 Meter Höhe war nach Sonnenuntergang dann wieder empfindlich kalt, allerdings konnten wir uns in dem nahe gelegenen Thermalbad bei etwa 40 Grad Wassertemperatur etwas aufwärmen und den Sonnenuntergang in einer grandiosen Landschaft (und leider wild dröhnender 70iger Jahre Popmusik) genießen. Am nächsten Tag ging es mit unserem  zu der hiesigen Spezies von wild gewordenen Verkehrsrowdies gehörenden Fahrer über eine lange Schotterpiste und vorbei an terrassierten Berghängen mit landwirtschaftlichem Anbau zum hoch über dem Colca-Canyon gelegenen Cruz del Condor, einem spektakulären Aussichtspunkt, an dem sich mit Glück der mit einer Flügelspannweite von bis zu drei Metern größte, vom Ausstreben bedrohte Raubvogel der Welt beobachten lässt. Und wir hatten Glück. Etwa ab 8.30 Uhr, als sich die Luft langsam erwärmte, zogen immer mehr die Thermik nutzende Kondore ihre Kreise über dem tief herab fallenden Tal und kamen uns dabei so nahe, dass wir sie fast greifen konnten. Gelegentlich schwebten bis zu 9 dieser auch in den Anden sehr selten gewordenen riesigen Vögel unmittelbar an uns vorbei, vor dem Hintergrund der grandiosen Landschaft ein wirklich beeindruckendes Erlebnis. Der Canyon selbst soll nach neusten Messungen an seiner tiefsten Stelle über 4.800 m (Bergspitze zu Tal) und damit der tiefste Canyon der Welt sein.

 

Nach einer wilden Rückfahrt nach Arequipa, wo wir noch 3 Tage bei hoffentlich angenehmen Temperaturen etwas entspannen können, geht es am nächsten Mittwoch nach Arica in Chile und dort zunächst wieder an die Küste. Entgegen andersartiger Planung werden wir  ein Flugzeug nehmen, da die Straßenverbindungen zwischen Peru und Chile schon seit über einer Woche von aufgebrachten Minenarbeitern (mit für uns unklarer Zielsetzung) blockiert werden, und wir nicht absehen können, wie und wann sich diese Situation weiter entwickeln wird.